Die Studie in Kürze

So traurig es klingt, man kann es kaum leugnen bei dem Berg an Studien über das Thema: auch heute noch ziehen Männer Partnerinnen vor, die sich weniger ehrgeizig im Job zeigen, die weniger verdienen und die nicht besser ausgebildet sind als sie selber. (Fishman et al. 2006, Hitsch et al. 2010, Greitmayer 2007). Ehen, in denen die Frau mehr verdient als der Mann sind überaus selten. Und gibt es sie doch, ist die Scheidungswahrscheinlichkeit viel höher als bei „normalen“ Paaren. Daraus folgern kann man, dass sich für Frauen also der folgende Trade-off präsentiert: entweder sie halten sich im Job zurück, zeigen sich weniger ehrgeizig und verlangen weniger Lohn, steigern damit aber ihre Chancen einen Partner zu finden. Oder aber sie investieren alles in den Job und haben dann mehr Schwierigkeiten auf dem Heiratsmarkt. Die Frage ist nun, für welchen Weg entscheiden sich die meisten Frauen?

Dieser Frage gehen die Autoren Leonardo Bursztyn (University of Chicago), Thomas Fujiwara (Princeton University) und Amanda Pallais (Harvard University) in dieser Studie nach indem sie Frauen und ihr Verhalten gegenüber ihren Kollegen und Kolleginnen studieren. Sie unterscheiden dabei zwischen Frauen, die verheiratet sind und Frauen, die Single sind, da der Heiratsmarkt nur Single Frauen beeinflussen sollte. In einem clever designten Experiment versuchen sie dann zu ergründen, ob sich Single Frauen bei ihren Karriereentscheidungen tatsächlich vom Heiratsmarkt beeinflussen lassen, während dem verheiratete Frauen kein solches Verhalten aufweisen. Die Resultate aus dem Experiment zeigen eindeutig, dass dies in der Tat der Fall ist: Single Frauen zeigen sich sehr viel weniger karriereorientiert als verheiratete Frauen in einer öffentlichen Situation in der auch Männer anwesend sind. In einer reinen Frauengruppe hingegen zeigen sich die Single Frauen genauso karriereorientiert wie die verheirateten Frauen.

Das erste Experiment: Karriere-Fragebogen

Die Forscher wählen für ihr Experiment Studierende aus einem MBA Programm in den USA. Ein MBA ist ein Master of Business Administration, also ein Programm, das sich an mittlere Manager richtet, die für die weiteren Karriereschritte zusätzliche Kompetenzen erwerben wollen. Die Wissenschaftler argumentieren, dass dies ein gutes Umfeld für ihre Studie ist, da der MBA für viele Studierende sowohl ein wichtiger Schritt für eine steile Karriere ist, andererseits aber auch dazu dient, ein Netzwerk zu bilden, und zudem viele private Verbindungen daraus hervorgehen. In den USA geben z.B. 16 % aller MBA Absolventen an, ihren Partner während des Studien-Programms kennengelernt zu haben.

Das erste Experiment lief folgendermassen: Am Anfang des MBA Programms liessen die Forscher alle MBA Studierenden einen Fragebogen ausfüllen, in dem nach den jeweiligen Karrierewünschen gefragt wurde. Die Fragen betrafen unter anderem die Lohnvorstellung, wie viele Stunden pro Woche die Person idealerweise bereit ist zu arbeiten, wie viele Tage im Monat die Person bereit ist für den Job zu verreisen, etc. Des Weiteren mussten die Teilnehmer ihre Leadership-Fähigkeiten einschätzen und ihre Karriereziele angeben. Dieser Fragebogen war für die Studierenden sehr wichtig, da dieser die Basis für die Zuteilung auf Sommer-Praktika bildete. Von diesen Fragebogen gab es zwei Versionen, die sich nur in einem Wort unterschieden. So stellten die Forscher sicher, dass die Studierenden sich nicht bewusst waren, dass es unterschiedliche Fragebogen gab. Der Unterschied bestand nur in den Instruktionen vor den Fragen. Auf der einen Hälfte der Bögen wurde den Studierenden mitgeteilt, dass ihre Antworten später unter ihrem Namen zusammen mit Professoren in Gruppen diskutiert werden. In der anderen Hälfte der Fragebogen stand hingegen, dass die Antworten später anonymisiert in Gruppen zusammen mit Professoren durchgesprochen werden. Die verschiedenen Fragebogen wurden dann zufällig an die Studenten verteilt, so dass die eine Hälfte den Fragebogen mit dem Wort „anonym“ erhielt und die andere Hälfte den nicht anonymen Fragebogen.

Wie sich die Antworten unterscheiden

Die Forscher verglichen dann die Antworten der Frauen, die angaben, Single zu sein mit denen der Frauen, die verheiratet sind je nachdem welchen Typ Fragebogen (anonym oder nicht anonym) diese ausgefüllt hatten. Bei den anonymen Fragebogen zeigten sich beide Frauengruppen gleich ambitiös bezüglich ihrer Karriere und gaben ähnliche Karriereziele an. Beim “öffentlichen” Fragebogen hingegen, also in dem Szenario in dem die Teilnehmer erwarteten, dass ihre Antworten in der Gruppe diskutiert werden würden, gab es frappante Unterschiede: Die Single Frauen zeigten sich viel weniger ehrgeizig bezüglich ihrer Karriere, als Frauen, die verheiratet sind.

Die Single Frauen, die fürchteten, dass ihre Antworten in der Gruppe diskutiert werden, gaben an, dass sie sich ein um 18’000 USD niedrigeres Jahresgehalt vorstellen, dass sie pro Monat 7 Tage weniger zu reisen bereit sind, und dass sie pro Woche 4 Stunden weniger arbeiten wollen. Auch die Selbsteinschätzung der Leadership Qualität und die Karriereambitionen waren wesentlich tiefer als die der verheirateten Frauen.

Dies obwohl bei den Frauen, die den Fragebogen mit dem Wort „anonym“ erhalten hatten, kein Unterschied zwischen Single Frauen und verheirateten Frauen ersichtlich war. Man kann das unterschiedliche Verhalten der beiden Frauengruppen also nicht damit erklären, dass ein genereller Unterschied zwischen Single Frauen und verheirateten Frauen besteht und Single Frauen einfach weniger ehrgeizig sind als verheirate Frauen. Wäre dem so, müsste dieses Verhalten auch im anonymen Fragebogen auffallen.

Eine weitere mögliche Erklärung für das beschriebene Verhalten wäre, dass sich Single Frauen in der Öffentlichkeit immer eher zurückhaltend und demütig zeigen und dass dies nichts mit dem Heiratsmarkt zu tun hat. Um dies auszuschliessen, fragten die Forscher im Fragebogen auch nach Selbsteinschätzung im Umgang mit Sprache und schriftlichem Ausdruck. Da diese Fähigkeiten in anderen Studien auf dem Heiratsmarkt keinen Nachteil einbringen, sollten sich Single Frauen sowohl in der anonymen wie in der nicht anonymen Version gleich einschätzen. Dies ist auch in der Tat der Fall.

Ein weiteres interessantes Resultat aus dem ersten Experiment ist, dass es zwar im Schnitt einen Unterschied in den Karriereambitionen gibt zwischen Männern und Frauen, dieser aber komplett mit dem Verhalten von Single Frauen im “öffentlichen” Fragebogen erklärbar ist. Vergleichen die Forscher verheiratete Frauen mit Männern, finden sie keine Unterschiede bezüglich Gehaltsvorstellungen etc. Und auch im Fall des anonymen Fragebogens, der vermutlich eher die wahren Präferenzen widerspiegelt, finden sie gar keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Das zweite Experiment: Gruppendiskussion

Um ihr Argument zu festigen, dass die Erwartungen der Männer im Heiratsmarkt tatsächlich die treibende Ursache für das „sich schlechter stellende“ Verhalten der Single Frauen sind, erarbeiten die Forscher ein zweites Experiment. In diesem vergleichen sie das Verhalten von Frauen in reinen Frauengruppen mit deren Verhalten in Gruppen mit gemischtem Geschlecht. Die Forscher nutzten dabei aus, dass während des MBA oft Gruppenarbeit in kleineren Gruppen gefragt war, wobei die Gruppen jeweils zufällig zugeteilt wurden und die Zuteilung sich jedes Mal änderte. Das Experiment bestand darin, dass nach der Gruppeneinteilung jedem Studierenden ein Fragebogen ausgeteilt wurde. In diesem sollte jeder aus ein paar Jobangeboten das ansprechendste auswählen, und die Auswahl mit seiner Kleingruppe besprechen. Die Jobwahl bestand zwischen einem Job mit sehr hohem Gehalt aber sehr vielen Stunden pro Woche, gegenüber einem Job mit geringerem Gehalt aber dafür auch weniger Stunden - oder zwischen einem Job mit besseren Aufstiegschancen aber viel Reisen, gegenüber einem Job mit wenigen Aufstiegschancen aber ohne Reisen.

Die Gruppeneinteilung wurde dabei so vorgenommen, dass jede Single Frau zufällig entweder in eine reine Frauen-Gruppe kam, oder in eine Gruppe mit nur Männern. Die Forscher verglichen nun die Antworten der Single Frauen, die zufällig in einer Frauengruppe gelandet waren mit den Antworten derer, die in eine reinen Männergruppe eingeteilt wurden. Die Single Frauen wählten dabei in den reinen Männergruppen sehr viel weniger häufig den Job mit dem hohen Gehalt oder den Job mit den schnellen Aufstiegschancen, als die Single Frauen in den reinen Frauengruppen.

Um zu sehen, ob dieser Effekt auch auftritt bei einer Wahl, die keine direkte Auswirkung auf die Heiratsmarktchancen hat, fragten die Forscher auch nach Präferenzen zwischen einem Job mit guten sozialen Auswirkungen und einem Job mit einem guten kollegialen Verhältnis zu Arbeitskollegen. Hier zeigte sich kein Unterschied in den Antworten von den Single Frauen in den reinen Frauengruppen zu den Single Frauen in den reinen Männergruppen. Eine weitere Kontrolle bestand darin, den Anteil verheirateter Männer in reinen Männergruppen zu berücksichtigen. Sollten die Chancen auf dem Heiratsmarkt das Verhalten von Single Frauen beeinflussen, würde man einen stärkeren Einfluss in Gruppen mit einem höheren Anteil an Single Männern erwarten. Dies ist in der Tat der Fall: Single Frauen zeigten sich viel eher karriereorientiert in Gruppen, in denen der Anteil verheirateter Männer hoch ist.

Was wir aus der Studie mitnehmen

Die Studie präsentiert sehr viel Evidenz dafür, dass Single Frauen sich im Arbeitsmarkt eher zurücknehmen, um ihre Chancen auf einen Partner nicht zu verringern. Dies kann weitreichende Folgen haben: Single Frauen verlangen weniger Lohn und bemühen sich weniger um Beförderungen, um nicht anzuecken. Verheiratete Frauen zeigen sich jedoch genauso ehrgeizig wie Männer und fordern auch gleich hohe Löhne.

In dem hier untersuchten Kontext fanden die Forscher sogar, dass der gender gap, der zwischen Männern und Frauen bestand, komplett damit erklärbar war, dass sich Single Frauen weniger ehrgeizig zeigten als sowohl Männer wie auch verheiratete Frauen. Hätten sie nur die verheirateten Frauen mit den Männern verglichen, wäre kein gender gap feststellbar.

Spinnt man diesen Gedanken weiter, könnte diess sehr weitreichende und folgenschwere Konsequenzen für den Arbeitsmarkt haben. Einerseits kann man in diesem Fall den gender pay gap nicht darauf zurückführen, dass Frauen einfach weniger ehrgeizig sind und schlechter abschneiden bei Lohnverhandlungen, da – zumindest in diesem Experiment - die verheirateten Frauen darin genauso gut zu sein scheinen wie die Männer. Zweitens würde das auch bedeuten, dass sehr viel Potenzial auf dem Arbeitsmarkt nicht ausgenutzt wird, da Single Frauen sozusagen absichtlich ihre Ambitionen nicht ausschöpfen.

Was können wir nun tun um dies zu ändern? Am effektivsten wäre es sicher, schon im Kindesalter Mädchen und Jungen mit auf den Weg zu geben, dass Ehrgeiz und Ambitionen gute Eigenschaften sind sowohl bei Männern wie auch bei Frauen. Dies wird hoffentlich dann die Anreize im Heiratsmarkt später so verändern, dass Single Frauen es nicht mehr als nötig ansehen werden sich schlechter zu stellen. Vielleicht hilft aber auch schon, dass man sich diese Studie zu Herzen nimmt und sich sowohl als Mann wie auch als Frau fragt, inwiefern man sich selber von diesen Anreizen beeinflussen lässt, und wie viel man sich davon beeinflussen lassen will.

Zum Weiterlesen:

Die komplette Studie findet man unter:

Bursztyn, Leonardo, Fujiwara, Thomas and Amanda Pallais. 2017. “‘Acting Wife’: Marriage Market Incentives and Labor Market Investments.” American Economic Review, 107(11): 3288-3319 https://scholar.harvard.edu/files/pallais/files/acting_wife.pdf

Weitere erwähnte Studien:

  • Fisman, R., Iyengar, S.S., Kamenica, E., and Simonson, I. 2006. “Gender Differences in Mate Selection: Evidence from a Speed Dating Experiment.” Quarterly Journal of Economics, 121(2), 673-697. https://faculty.chicagobooth.edu/emir.kamenica/documents/genderDifferences.pdf
  • Hitsch, G. J., Hortacsu, A. and Ariely, D. 2010. “Matching and Sorting in Online Dating” American Economic Review, 100(1), 130-163. https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/aer.100.1.130
  • Greitemeyer, T. 2007. “What Do Men and Women Want in a Partner? Are Educated Partners Always More Desirable?” Journal of Experimental Social Psychology, 43, 180-194. https://psycnet.apa.org/record/2007-03349-005