Quoten sind sowohl in der Politik wie in der Wirtschaft seit einigen Jahren ein heisses Thema: während die Befürworter:innen argumentieren, dass Quoten nötig sind, um Diskriminierung bei der Auswahl von Kandidat:innen entgegenzuwirken und so Gleichstellung zu erreichen, weisen die Gegner:innen darauf hin, dass Quoten Unternehmen oder andere Institutionen unter Umständen zwingen weniger qualifizierte Kandidat:innen einzustellen nur um eine Quote zu erfüllen. Letzteres würde dann insgesamt zu einem schlechteren Ergebnis führen, z.B. zu tieferer Produktivität. Diese Debatte ist auch in der Wissenschaft noch nicht eindeutig geklärt. Einer der wichtigsten Gründe, wieso diese Frage so schwierig zu beantworten ist, liegt darin, dass es erst in sehr wenigen Ländern Quoten gibt, deren Auswirkungen man studieren könnte. Das zweite Hindernis liegt meistens bei den Daten: Um die Effekte einer Quote auf Produktivität zu messen braucht man als erstes natürlich Daten zu Produktivität. Genau solche sind aber äusserst schwierig zu finden.

Ein neues Papier von Ursina Schaede und Ville Mankki überkommt beide dieser Hindernisse und liefert eine interessante Untersuchung der Effekte einer Quote für Primarschullehrer in Finnland. Entgegen der Quoten, die man heute oft diskutiert betraf die hier untersuchte Quote jedoch nicht Frauen, sondern Männer: bis ins Jahr 1989 galt eine 40% Männerquote für Studenten, die zum Primarschullehrgang zugelassen wurden. Die Quote wurde jedoch im Jahr 1989 abgeschafft. Die Autor:innen schauen sich an, wie sich die Abschaffung der Quote auf Primarschüler:innen auswirkte und finden, dass Primarschüler:innen, die aufgrund der Quote mehr männliche Lehrer hatten später sowohl eine höhere Ausbildung abschliessen wie auch mit höherer Wahrscheinlichkeit arbeitstätig sind. In diesem Fall hatte die Quote also einen positiven Effekt auf die Produktivität.

Männerquote für finnische Primalerhrer

Die Abschaffung der Quote für männliche Studenten im Primarschullehrgang führte dazu, dass der Anteil an männlichen Primarschullehrern von rund 35%1 auf nur noch 20% fiel. Sowohl vor wie auch nach der Quote ist ein wichtiges Auswahlkriterium für die Zulassung zum Primarschullehrgang der Notenschnitt aus dem Gymnasium. Da Männer, die sich für diesen Studiengang bewerben im Schnitt schlechtere Noten haben als Frauen, führte die Quote dazu, dass Männer mit einem Notenschnitt zugelassen wurden, der viel tiefer lag, als der Schnitt den Frauen erfüllen mussten um aufgenommen zu werden. Wenn nun der Notenschnitt perfekt vorhersagen würde, wer später eine gute Lehrkraft wird, wäre der Fall hier also klar: da mit der Quote Männer zugelassen werden, die im Schnitt schlechtere Noten haben, sind die Durchschnittsnoten von allen zugelassenen Student:innen tiefer und somit sollte auch die Qualität der Lehrkräfte mit Quote schlechter sein also ohne. Die Autor:innen zeigen aber auf, dass dem hier mitnichten so ist.

Die Quote wird abgeschafft

Da mit der Abschaffung der Quote die Anzahl männlicher Primarlehrer, die im Lehrberuf tätig sind natürlich nicht sofort landesweit auf 20% fällt, benutzen die Autor:innen für ihre Analyse eine clevere Strategie, die ausnutzt, dass Primarlehrkräfte in Finnland fast ausschliesslich mit 60 Jahren pensioniert werden. Somit müssen jedes Jahr alle 60-jährigen Primarlehrkräfte durch neue ersetzt werden, welche vor allem aus der Gruppe von Primarlehrkräften rekrutiert werden, die im selben Jahr den Primarschullehrgang abschliessen. Und für diese Gruppe sinkt der Anteil an Männern nach der Abschaffung der Quote durchaus drastisch: im ersten Abschlussjahr ohne Quote (1994) liegt der Anteil männlicher Absolventen bei nur noch 20%, im Vergleich zu knapp 35% im Jahr vorher. Ob eine Lehrkraft, die kurz vor der Pensionierung steht, nun aber gerade noch vor 1994 oder erst danach 60 Jahre alt wird ist Zufall. Die Autor:innen argumentieren daher, dass somit bestimmte Gemeinden2 durch Zufall gerade noch vor 1994 eine neue Lehrkraft einstellen (Gemeinden Q) währendem andere gerade kurz nach 1994 eine neue Lehrkraft rekrutieren (Gemeinden OQ). Erstere Gemeinden wählen die neue Lehrkraft somit aus einer Quotenkohorte mit ca. 35% Männern, während letztere bereits aus einer Kohorte ohne Quote auswählen, in der der Männeranteil nur noch rund 20% beträgt. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Gemeinde einen Mann einstellt wesentlich höher als bei der zweiten Gemeinde.

Die Autor:innen berechnen dann für jede:n Primarschüler:in die Anzahl Jahre, die er/sie noch in der Primarschule verbringt nachdem eine Lehrkraft pensioniert wurde und vergleichen z.B. Primarschüler für welche die Lehrkraft gerade am Anfang der Primarschulzeit pensioniert wurde. Ein Schüler in Gemeinde Q verbrachte somit seine Primarschulzeit mit einer neuen Lehrkraft, die aus einer Gruppe ausgewählt wurde in der die Quote noch galt, während der Schüler in Gemeinde OQ eine neue Lehrkraft erhielt, welche aus einer Gruppe rekrutiert wurde für die die Quote nicht mehr galt. Ein Vergleich dieser beiden Schüler sollte somit den Effekt der Quote wiederspiegeln, da sich die beiden Schüler sonst sehr ähnlich sind: sie sind fast gleich alt, wohnen in einer naheliegenden Gemeinde und haben beide im frühen Primarschulalter eine neue Lehrkraft erhalten. Der Unterschied liegt einzig darin, dass die alte Lehrkraft in Gemeinde Q zufällig gerade noch vor 1994 60 Jahre alt wurde, während sie in Gemeinde NQ erst kurz nach 1994 60 Jahre alt wurde. Die neue Lehrkraft in Gemeinde Q ist somit mit höherer Wahrscheinlichkeit männlich.

Schüler mit Quotenlehrern schneiden besser ab mit 25

Die Autor:innen folgen den Schüler:innen dann bis zu ihrem 25. Lebensjahr und vergleichen deren Arbeitsmarktindikatoren und ihre höchste abgeschlossene Ausbildung. Sie zeigen auf, dass Schüler mit einer neuen Lehrkraft aus der Quotenkohorte (welche mit höherer Wahrscheinlichkeit männlich ist), mit 25 Jahren mit einer 4% höheren Wahrscheinlichkeit einen Job haben oder studieren. Sie finden keinen Effekt auf Arbeitslosigkeit und nur einen kleinen negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit IV zu beziehen. Sie finden zudem, dass Schüler:innen mit einer neuen Lehrkraft aus der Quotenkohorte eine höhere Ausbildung abgeschlossen haben mit 25 Jahren, sei es eine Universitätsausbildung oder eine höhere Stufe in der Berufsbildung. Als letztes schauen sie sich noch Fertilität an und finden, dass Schülerinnen mit Quotenlehrkräften eine weniger hohe Wahrscheinlichkeit haben mit 26 bereits ein Kind geboren zu haben. Dies ist konsistent mit den obigen Resultaten.

Die Autor:innen zeigen auch auf, dass die obigen Resultate sowohl für männliche wie auch für weibliche Primarschüler gelten und die Effekte für beide Geschlechter ähnlich gross sind.

Schüler:innen treffen eine passendere Auswahl bei der Anmeldung zu Studien- und Lehrplätzen

Ein erster Grund wieso Schüler:innen mit Quotenlehrkräften eine höhere Ausbildung abschliessen liegt darin, dass sie bei der Auswahl von Studienplätzen bessere Entscheidungen treffen. In Finnland müssen sich Schüler:innen sowohl auf Ausbildungs- wie auch Studienplätze bewerben, in dem sie bevorzugte Optionen angeben, von denen sie dann entweder eine oder teilweise auch gar keine erhalten. Die Autor:innen finden hier, dass Schüler:innen mit Quotenlehrkräften eher Optionen angeben, die für sie geeignet sind. Entsprechend erhalten sie dann auch eher eine Option und die Wahrscheinlichkeit leer auszugehen ist kleiner. Hier ist der Effekt allerdings unterschiedlich je nach Geschlecht der Schüler: männliche Schüler schrauben ihre Erwartungen eher etwas herunter und ihre Wahrscheinlichkeit leer auszugehen wird damit viel kleiner, währendem Schülerinnen ambitionierter werden und dann auch tatsächlich bessere Optionen zugeteilt bekommen. Schülerinnen tendieren also ohne Quotenlehrkräfte eher dazu sich zu unterschätzen.

Schüler:innen wählen eher naturwissenschaftliche Studienfächer und Jobs

Des Weiteren finden sie, dass sowohl männliche wie auch weibliche Schüler mit Quotenlehrkräften eher naturwissenschaftliche Studienfächer wählen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass männliche Lehrkräfte im Schnitt mehr naturwissenschaftliche Wahlfächer besuchen in ihrer Gymnasiumszeit und damit entweder besser darin sind diese zu unterrichten oder einfach mehr Begeisterung demonstrieren in diesen Fächern. Allerdings kann die Wahl von mehr naturwissenschaftlichen Studienfächern die höhere Arbeitsmarktbeteiligung durch Quotenlehrkräfte nur zu einem sehr kleinen Teil erklären.

Als letztes versuchen die Autor:innen noch zu ergründen, ob ihre Resultate dadurch erklärbar sind, dass Schüler mit Quotenlehrkräften an ihrer Primarschule mit höherer Wahrscheinlichkeit einem ausgeglicheneren Geschlechterverhältniss im Lehrergremium ausgesetzt waren. Da Lehrkräfte an finnischen Primarschulen oft eng zusammenarbeiten, könnte man sich vorstellen, dass ein ausgeglichener Mix zwischen weiblichen und männlichen Lehrkräften zu besseren Ergebnissen führt, falls es Komplementaritäten gibt zwischen männlichen und weiblichen Lehrkräften. Sie schauen sich daher an, ob die positiven Effekte der Quotenlehrkräfte stärker sind, wenn eine Schule fast nur weibliche Lehrer hatte und einen Quotenmann einstellt. In einem solchen Fall sollte der neue männliche Lehrer dann stärker ins Gewicht fallen als an einer Schule an der es bereits um die 50% männliche Lehrkräfte gibt. Die Autoren finden allerdings keinen Unterschied in der Effektgrösse, können aber aufgrund der geringen Datenmenge keine klaren Schlussfolgerungen ziehen.

Fazit: Eine Quote kann teilweise sogar produktivitätsfördernd sein

Zusammenfassend zeigt diese Studie also auf, dass eine Quote sogar produktivitätsfördernd sein kann, vor allem dann wenn Kandidaten aufgrund eines einseitigen Kriteriums ausgewählt werden – wie zum Beispiel Abschlussnoten – welches nicht unbedingt die wahren Fähigkeiten eines Kandidaten wiederspiegelt. Dieses Resultat ist also speziell relevant im Kontext von Universitäten oder anderen Institutionen welche neue Student:innen vor allem im Ausland sehr häufig auf Basis der Abschlussnoten im Gymnasium auswählen. Wie diese Studie zeigt, kann eine Quote für bestimmte untervertretene Gruppen in solchen Fällen durchaus positive Effekte haben.

Zum Weiterlesen:

Die komplette Studie findet man unter:

Schaede, Ursina and Mankki, Ville, (2022): Quota vs. Quality? Long-Term Gains from an Unusual Gender Quota. https://ursinaschaede.github.io/files/JMP_Schaede.pdf

  1. Der Anteil war nur rund 35% und nicht 40% wie die Quote, da nicht alle Studenten, die zum Primarschullehrgang zugelassen werden diesen auch abschliessen 

  2. In Finnland werden Primarlehrkräfte von der Gemeinde angestellt.