Eine häufige Forderung der Frauenbewegung ist die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Was zuerst einmal sehr einfach und intuitiv klingt, ist in der Praxis nicht immer so einfach umzusetzen. Wie genau definiert man gleiche Arbeit? Berücksichtig man dabei Ausbildung, Erfahrung, etc und wenn ja, wie genau?

Während dies in vielen Berufen tatsächlich sehr schwierig festzulegen ist, gibt es seit ein paar Jahren einen neuen Teil des Arbeitsmarktes, in dem dies viel einfach umzusetzen ist: die sogenannte Gig Economy. In der Gig Economy werden kleine Aufträge an unabhängige Freiberufler vergeben, häufig über eine Online Plattform oder eine App. Da der Auftrag inklusive Bezahlung ausgeschrieben wird, ist eine Diskriminierung nach Geschlecht fast ausgeschlossen. Die Gig Economy scheint also das Prinzip von gleichem Lohn für gleiche Arbeit perfekt umzusetzen und man sollte in solchen Branchen keine geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschiede finden. Jedenfalls so die Intuition.

In einer neuen Studie von Cody Cook, Rebecca Diamond, Jonathan Hall, John List und Paul Oyer, die sich die Gig Economy am Beispiel vom Taxi-Fahrdienst Uber genauer anschaut, zeigen die Forscher, dass dies trotzdem nicht der Fall ist. Bei der Analyse von über einer Million Taxifahrten in den USA, die über Uber abgewickelt wurden, finden sie, dass weibliche Uber Fahrer im Schnitt pro gefahrener Stunde 7 % weniger verdienen als männliche Fahrer. Dies obwohl der Lohn nicht verhandelt wird, unabhängig ist von Erfahrung und Anzahl gearbeiteter Stunden, und Taxi Kunden nachweisbar nicht männliche Fahrer bevorzugen.

Dieser geschlechtsspezifische Lohnunterschied für Uber Fahrer ist zwar tiefer als der Unterschied im gesamten amerikanischen Arbeitsmarkt (ca. 12 Prozent nach Blau und Kahn (2017)), aber höher als der geschlechtsspezifische Lohnunterschied in einzelnen Branchen wie zum Beispiel bei Pharmazeuten (Goldin und Katz (2017)) oder unter MBA Absolventen (Bertrand et al. 2010).

Woher kommt der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern in der Gig Economy?

Die Autoren können den unterschiedlichen Stundenlohn auf drei Faktoren zurückführen:

Geschwindigkeit: Wer schneller fährt, kann insgesamt mehr Passagiere befördern

Der erste und wichtigste Grund für den Lohnunterschied ist die Geschwindigkeit. Die Bezahlung jeder Fahrt durch Uber hängt sowohl von der gefahrenen Distanz, wie auch der benötigten Zeit ab. Zwar reduziert sich dadurch die Bezahlung bei einer schnelleren Fahrt etwas, diese Reduktion kann aber kompensiert werden da der Fahrer dadurch die nächste Fahrt deutlich früher annehmen kann. Somit kann ein schnellerer Fahrer mehr Fahrten pro Stunde durchführen, was in einem höheren Stundenlohn resultiert. Da Männer im Schnitt schneller fahren als Frauen, können sie pro Stunde mehr Fahrten durchführen und somit ihren Stundenlohn gegenüber Frauen erhöhen. Geschwindigkeit kann laut den Autoren etwa die Hälfte (also ca. 3,5 Prozentpunkte) des beobachteten Unterschiedes im Stundenlohn erklären.

Mit mehr Erfahrung treffen Fahrer besser Entscheidungen

Zweitens spielt Erfahrung eine wichtige Rolle. Fahrer, die mehr als 2500 Fahrten absolviert haben, treffen bessere Entscheidungen welche Fahrten sie annehmen und welche Fahrten sie ablehnen, als solche die erst 100 Fahrten oder weniger gemacht haben. Da Männer im Schnitt mehr Fahrten pro Woche absolvieren und im Schnitt schon länger für Uber fahren, treffen sie auch strategisch bessere Entscheidungen und optimieren so ihr Gehalt besser als Frauen. Mehr Erfahrung ist für etwa ein Drittel des beobachteten Gehaltsunterschiedes verantwortlich.

Mehr ist aber nicht für immer mehr, finden die Autoren. Nach einer bestimmten Anzahl Fahrten spielt mehr Erfahrung keine Rolle mehr. Hat ein Fahrer oder eine Fahrerin einmal verstanden, wie man strategisch optimale Fahrten und Fahrzeiten wählt, sind mehr Fahrten nicht immer besser. Eher im Gegenteil: unter Fahrern, die alle den nötigen Erfahrungsstand haben um optimale Entscheidungen zu treffen, verdienen solche, die 40 Stunden die Woche fahren weniger pro Stunden als solche die nur 20 Stunden fahren. Dies kommt daher, dass Fahrer, die nur 20 Stunden fahren eher die Stunden wählen in denen die Nachfrage höher ist und Uber ihnen dadurch eine höhere Bezahlung anbietet. Fahrer, die 40 Stunden die Woche fahren sind auch in den weniger lukrativen Stunden unterwegs, was ihren durchschnittlichen Stundenlohn reduziert.

Fahrten in urbanen oder eher unsicheren Gegenden mit mehr Bars und Restaurants sind besser bezahlt

Der dritte Grund für den Lohnunterschied sind die Kompensationsregeln, die Uber den Fahrern anbietet. Fahrten in beliebten und urbanen Gegenden mit Bars und Restaurants sind teurer und bringen dem Fahrer somit mehr Geld ein. Da männliche Fahrer häufiger in solchen Gegenden wohnen fahren sie auch häufiger Strecken, die mehr Geld einbringen. Des Weiteren sind die Gebühren für Fahrten in Gegenden mit höherer Kriminalitätsrate ebenfalls teurer. Dies kommt ebenfalls Männern zu Gute, da sie eher bereit sind, in solche Stadtteile zu fahren.

Die gute Nachricht: die Gig Economy steht trotzdem besser da als herkömmliche Arbeitsmärkte

Viele andere Studien, welche Gehaltsunterschiede in anderen Arbeitsmärkten untersuchen, können diese auf drei Hauptfaktoren zurückführen. Erstens spielt Diskriminierung leider immer noch häufig eine Rolle bei der Erklärung unterschiedlicher Löhne. Zweitens kann der Gehaltsunterschied auch oft zu einem grossen Teil auf weniger gearbeitete Stunden und Unterbrüche in der Karriere zurückgeführt werden. So zeigt Claudia Goldin, dass Überstunden häufig überproportional gut bezahlt werden und oft nötig sind für eine Beförderung. Da Frauen im Schnitt mehr Kinderbetreuung und Haushaltsarbeit erledigen, bleibt weniger Zeit für Überstunden, was sowohl den Lohn reduziert, wie auch die Chancen auf eine Beförderung schmälert. Dies wird in der Literatur häufig als die Flexibilitäts-Strafe bezeichnet.

Auch Unterbrüche in der Karriere tragen zum Lohnunterschied bei. Frauen bleiben nach der Geburt eines Kindes viel häufiger zu Hause als Männer und reduzieren damit ihre Karrieremöglichkeiten wie auch ihre Bezahlung. Dies ist als die sogenannte Mutterschafts-Strafe bekannt. Die Autoren der Uber Studie ziehen auch diese Faktoren als mögliche Erklärungen für den Gehaltsunterschied in der Gig Economy in Betracht. Allerdings finden sie keine Evidenz dafür, dass diese Erklärungen auch in der Gig Economy eine Rolle spielen.

Keine Diskriminierung: Taxi Kunden zeigen keine Präferenz für männliche (oder weibliche) Fahrer

Von Seiten des Arbeitgebers Uber gibt es hier wie schon gesagt keine Diskriminierung: Uber bietet weiblichen und männlichen Fahrern genau die gleiche Bezahlung für die gleiche Fahrt. Allerdings wäre es trotzdem möglich, dass Diskriminierung eine Rolle spielen kann, nämlich dann wenn die Taxi Kunden männliche Fahrer bevorzugen würden. Die Autoren können aber zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Taxi Kunden lehnen männliche Fahrer gleich häufig ab wie weibliche Fahrer.

Keine Flexibilitäts-Strafe: Überstunden sind nicht notwendig für einen höheren Lohn

Hat ein Uber Fahrer einmal die nötige Erfahrung gesammelt um optimale Entscheidungen zu treffen, spielen die tatsächlich gefahrenen Stunden keine Rolle mehr. Überstunden und 60 Stunden Wochen sind also in der Gig Economy nicht Bedingungen für einen höheren Lohn.

Fazit: Selbst gleicher Lohn für gleiche Arbeit ebnet nicht alle Unterschiede

Die beschriebene Studie zeigt, dass auch in Arbeitsmärkten wie der Gig Economy, in denen gleicher Lohn für gleiche Arbeit einfach umzusetzen ist, sich trotzdem ein geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschied entwickelt. Dieser ist auf die drei Faktoren Fahrgeschwindigkeit, Erfahrung und Fahrgegenden zurückzuführen.

Während der erste und der letzte Faktor schwer zu beeinflussen sind, lässt sich der mittlere schon eher gestalten. Wobei sich hier die Frage stellt, wieso Frauen weniger schnell Erfahrung anhäufen. Liegt dies einfach an Präferenzen von Frauen, weniger oft fahren zu wollen, ist es eher schwierig, dies zu ändern. Hängt es aber damit zusammen, dass Frauen immer noch viel häufiger einen Grossteil der Kinderbetreuung und Haushaltsarbeit übernehmen und ihnen aus diesem Grund nicht so viel Zeit bleibt, um schneller Erfahrung zu sammeln, könnte eine gerechtere Aufteilung von Haushaltsaufgaben und Kinderbetreuung dem Problem zumindest ein bisschen entgegenwirken.

Zum Weiterlesen

Die komplette Studie findet man unter:

Cook, Cody, Diamond, Rebecca, Hall, Jonathan, List, John A., and Oyer, Paul, (2019): The Gender Earnings Gap in the Gig Economy: Evidence from over a Million Rideshare Drivers. https://web.stanford.edu/~diamondr/UberPayGap.pdf

Weitere erwähnte Studien im Artikel:

Goldin, Claudia, Katz, Lawrence F, (2016): A Most Egalitarian Profession: Pharmacy and the Evolution of a Family-Friendly Occupation, Journal of Labor Economics, Vol. 34, no. 3 https://scholar.harvard.edu/files/goldin/files/pharm_cg.pdf

Bertrand, Marianne, Goldin, Claudia and Katz, Lawrence F. (2010): Dynamics of the Gender Gap for Young Professionals in the Financial and Corporate Sectors, American Economic Journal: Applied Economics: 228–255 https://scholar.harvard.edu/files/goldin/files/dynamics_of_the_gender_gap_for_young_professionals_in_the_financial_and_corporate_sectors.pdf

Blau, Francine D., Kahn, Lawrence M., (2017): The Gender Wage Gap: Extent, Trends, and Explanations, Journal of Economic Literature 2017, 55(3), 789–865 https://ideas.repec.org/p/iza/izadps/dp9656.html