Die Studie in Kürze

Als eine der Ursachen für ungleiche Bezahlung trotz ähnlicher beruflicher Stellung wird immer wieder angeführt, dass Frauen schlechter ihr Gehalt verhandeln als ihre männlichen Kollegen. Wenn Frauen nur mehr und besser verhandeln würden, hätten sie auch höhere Löhne, so das Argument. Die drei Ökonominnen Christine Exley, Muriel Niederle und Lise Vesterlund schauen sich in einer neuen Studie genauer an, ob hinter dieser Annahme wirklich etwas dahintersteckt.

In zwei Labor-Experimenten beobachten die Forscherinnen, ob Frauen im Vergleich zu Männern schlechter verhandeln, d.h. weniger häufig auf einem höheren Lohn bestehen. Bewusst ist das Szenario aus Sicht des Arbeitgebers und Arbeitnehmers anonym. Daher können die Autorinnen von anderen Faktoren abstrahieren, die geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhandeln erklären könnten.

Im ersten Experiment können die Teilnehmer selber entscheiden, ob sie ein Lohnangebot einer Firma ohne Verhandlung annehmen wollen, oder ob sie verhandeln wollen. Im zweiten Experiment werden die Teilnehmer zur Lohnverhandlung mit der Firma „verdonnert“.

Der Vergleich der schlussendlich bezahlten Löhne aus den beiden Versionen des Experiments lässt die Autorinnen darauf schliessen, dass am obigen Argument nicht viel dran ist: Frauen wissen durchaus, wann sie verhandeln sollen und wann nicht: die verhandelten Löhne in der freiwilligen Version sind im Schnitt höher als in der Version, in der Frauen verhandeln müssen.

Dies sollte aber nicht als Argument gegen das Verhandeln an sich gesehen werden: die Verhandlungen, die Frauen in der freiwilligen Version eingehen, bringen ihnen in fast 90 Prozent der Fälle tatsächlich einen höheren Lohn ein. Erst wenn man Frauen zu zusätzlichen Verhandlungen zwingt, die sie lieber nicht eingegangen wären, wirkt sich das negativ auf den verhandelten Lohn aus.

Wichtig für das Ergebnis ist aber, dass der Kontext, in dem die Studie stattfindet, anonym ist. Da Frauen nicht mit negativen Konsequenzen von zu selbstbewusstem oder forderndem Auftreten rechnen müssen, können sie ihr Verhandlungspotential voll ausschöpfen. Dies lässt darauf schliessen, dass ausserhalb des Labors Frauen nicht deshalb schlechter bezahlt werden, weil sie «von Natur aus» nicht so gut verhandeln können, sondern aufgrund anderer Faktoren, wie beispielsweise sozialer Normen.

Der Aufbau des Experiments

Die Autorinnen führen ihre Studie in einem Laboratorium an der Stanford und Pittsburgh Universität in den USA durch. Die Teilnehmer werden zuerst zufällig entweder in die Gruppe der Arbeitnehmer oder in die Gruppe der Firmen eingeteilt. Danach wird jeweils ein Arbeiternehmer zufällig einer Firma zugeteilt, wobei die Teilnehmer nur über einen Computer interagieren, so dass sie nicht sehen mit wem sie verhandeln.

Dies garantiert, dass Erwartungen und Normen des Gegenübers hier keine Rolle spielen. Jeder Arbeitnehmer und jede Firma hat ein zufällig zugeteiltes Produktivitätsniveau, welches festlegt wieviel die Teilnehmer pro Runde verdienen können. Wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer mit Produktivitätsniveau 20$ und eine Firma mit Produktivitätsniveau 25$ einander zugeteilt sind, produzieren sie zusammen 45$ und müssen in der Lohnverhandlung entscheiden, wieviel von den 45$ der Arbeiter als Lohn erhält, und wieviel die Firma als Gewinn behalten kann.

Das Produktivitätsniveau der Arbeitnehmer hängt von ihrem relativen Abschneiden beim Lösen einer kurze Mathe Aufgabe am Anfang des Experiments ab. Der Arbeitnehmer, der aus einer Gruppe von drei Arbeitern am besten abschneidet, hat eine Produktivität von 20$, der zweitbeste von 15$ und der schlechteste von 10$. Die Produktivität wird den Arbeitern mitgeteilt, damit sie eine Vorstellung davon haben, wieviel Wert sie für die Firma haben. Die genaue Angabe der Produktivität soll auch verhindern, dass Frauen im Vergleich zu Männern eher unterschätzen, wie viel sie für die Firma Wert sind. Die Firmen haben eine zufällig zugeteilte Produktivität von entweder 20$ oder 25$.

Version 1: Verhandeln ist freiwillig

In dieser Version des Experiments wird jedem Arbeitnehmer/Firmen-Paar ein Lohnvorschlag zugeteilt. Der Lohnvorschlag berechnet sich dabei aus dem Produktivitätsniveau des Arbeitnehmers entweder abzüglich 2 oder 4 $, oder plus 0 oder 2$, wobei der Abzug oder Zuschlag zufällig festgelegt wird. Jeder Arbeitnehmer kann nun entscheiden, ob er oder sie diesen Lohnvorschlag annehmen will oder verhandeln möchte.

Entscheidet sich der Arbeitnehmer zur Verhandlung, kann er über einen Chat mit der Firma in Kontakt treten und einen neuen Lohn aushandeln. Jedoch haben die Verhandlungspartner nur 3 Minuten Zeit, sich zu einigen. Können sie sich in dieser Zeit nicht auf einen neuen Lohn festlegen, wird sowohl dem Arbeitnehmer wie auch der Firma 5$ von ihrem ursprünglichen Anteil zur Beginn der Verhandlung abgezogen.

Dieses Set-up führt je nach Szenario zu verschiedenen Anreizstrukturen für die Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmer, dessen Lohnvorschlag 4$ tiefer liegt als seine Produktivität hat eher einen Anreiz zu verhandeln als wenn der Lohnvorschlag höher ist.

Version 2: Arbeitnehmer müssen verhandeln

In dieser Version wird jedem Arbeitnehmer/Firmen-Paar genau wie in Version 1 ein Lohnvorschlag gemacht. Im Unterschied zu oben müssen die Arbeitnehmer nun aber immer mit der Firma verhandeln. Die Regeln bleiben dieselben: können die Verhandlungspartner sich nicht in 3 Minuten auf einen Lohn einigen wird jedem 5$ von seinem/ihrem ursprünglichen Anteil abgezogen.

Frauen verhandeln, wenn es profitabel ist

Frauen in Version 1 entscheiden sich in 66 % der Fälle dazu, den Lohnvorschlag zu verhandeln und sind damit auch meistens erfolgreich: nur 13 % der Verhandlungen resultieren in einem tieferen Lohn als der ursprüngliche Lohnvorschlag, und im Schnitt können Frauen mit einer Verhandlung den Lohnvorschlag um 1.45$ erhöhen.

Vergleichen die Autorinnen dies zu den Ergebnissen in Version 2 des Experiments (mit Verhandlungszwang) zeigt sich, dass immer zu verhandeln nicht zu höheren Löhnen führt: in dieser Version resultieren 33 % der Verhandlungen in Verlusten für die Arbeiterinnen im Vergleich zu nur 9 % (0.66*0.13) in der ersten Version. Auch sind die Gewinne in der zweiten Version nicht höher. D.h. die zusätzlichen Verhandlungen, die Frauen in Version 2 eingehen, führen nur zu mehr Verlusten und erhöhen die Gewinne nicht.

Vor allem Letzteres ist bemerkenswert, da dies bedeutet, dass auch nur ein kleiner Anstieg in der Anzahl Verhandlungen nicht zu einem besseren Ergebniss führen würde. Selbst wenn man Frauen nur in Fällen, in denen sie sich knapp gegen das Verhandeln entscheiden, dazu zwingen würde, würden diese zusätzlichen Verhandlungen nicht zu zusätzlichen Gewinnen führen (sonst müsste die Version 2, die auch diese grenzwertigen zusätzlichen Verhandlungen enthält insgesamt höhere Gewinnen aufweisen).

Männer verhandeln häufiger, aber nicht immer besser

Männer in Version 1 verhandeln öfters als Frauen, nämlich in 74 % aller Fälle, wobei 17 % dieser Verhandlungen zu Verlusten führen. Im Schnitt erhöhen Männer den Lohnvorschlag um 1.12$. Version 2 führt auch bei Männern zu mehr Verlusten, aber nicht zu höheren Gewinnen. Männer wissen also ebenfalls, wann es sich lohnt zu verhandeln und wann nicht.

Vergleichen die Forscherinnen die Resultate von Männern und Frauen finden sie nicht, dass es sich für Frauen eher lohnt mehr zu verhandeln als für Männer. Eher im Gegenteil, Frauen zum Verhandeln zu zwingen, führt für Frauen zu mehr Verlusten als wenn man Männer zum Verhandeln zwingt.

In einem dritten Experiment auf der Amazon Mechanical Turk Plattform führen die Forscherinnen noch einen zusätzlichen Twist ein: eine dritte Person kann hier dafür sorgen, dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin verhandeln muss auch wenn er/sie nicht möchte. Die Forscherinnen finden, dass Arbeitnehmerinnen häufiger von Drittpersonen zum Verhandeln gezwungen werden als Arbeitnehmer. Dies führt wie im Experiment oben aber nur zu zusätzlichen Verlusten sowohl für Männer wie auch für Frauen.

Fazit

Die Autorinnen finden in dieser Studie keine Evidenz dafür, dass Frauen zu wenig verhandeln. Im Gegenteil, in diesem Setting, in dem Diskriminierung und Normen keine Rolle spielen, scheinen Frauen sehr genau zu wissen, wann es sich für sie lohnt zu verhandeln und wann nicht. Und obwohl Frauen auch im Experiment weniger oft verhandeln als Männer, können sie trotzdem höhere Durchschnittslöhne aushandeln als Männer.

An den Verhandlungsfähigkeiten der Frauen kann der Gehaltsunterschied, der in der Praxis oft besteht, also nicht liegen. Ob dieser Unterschied aber auftaucht, weil Frauen unter anderen Bedingungen ihr Verhalten ändern sei es weil sie starke Gegenreaktionen fürchten oder sozialen Erwartungen gerecht werden wollen oder ob Frauen auch in der Praxis gleich gut verhandeln und aufgrund von Diskriminierung einfach nicht so weit kommen, dazu kann diese Studie nichts sagen. An allgemein schlechteren Verhandlungsfähigkeiten kann es aber auf jeden Fall nicht liegen.

Die Studie zum Weiterlesen:

Christine Exley, Muriel Niederle, and Lise Vesterlund. 2019. “Knowing When to Ask: The Cost of Leaning In,” Journal of Political Economy (forthcoming).

http://www.pitt.edu/~vester/wp_whentoask_201810.pdf